«Kntschkwää», krächzte es aus dem Lautsprecher, und Eingeweihte wussten sofort: Die nächste Haltestelle hieß «Museum für Gestaltung».
«Kntschkwää, Kntschkwää!», dachte das Tram Nr. 13 bei sich, «Lemablötz, Quäle, Damwä, Eschewiblötz. Jeden Tag zwanzigmal das Gleiche. Kntschkwää, Kntschkwää, Scheiße!». Und es beschloss, diesmal nicht anzuhalten.
Der Tramführer erlebte natürlich den Schreck seines Lebens, als keine Bremse mehr funktionierte, ja nicht mal die Notbremse. So versuchte er mit der Leitstelle Kontakt aufzunehmen, aber auch das Funkgerät ging nicht. Eigentlich ging überhaupt nichts mehr. Und im Passagierraum machte sich Unruhe breit, als der Wagen mit steigender Geschwindigkeit auf den Limmatplatz zubrauste.
Dem Tram Nr. 13 aber begann es Spaß zu machen. «Lllemablötz», sagte es durch die Lautsprecher, fuhr mit Siebzig über die Kreuzung und nahm dabei eine Einkaufstasche, ein Motorrad und das Rücklicht vom 32er mit.
Am Escher-Wyss-Platz schrie es lachend «Eschewiblötz, nach Höngg bitte umschteigen!» und fuhr geradeaus. Die Passagiere erwürgten unterdessen den Tramführer. Immer weiter, immer schneller, die ganzen Jahre der Unterdrückung, der Fremdbestimmung, des immer brav Türchen-auf-Türchen-zumachens kamen dem Tram nun hoch, und es spürte die Wut und die Befreiung. «Euch zeig ichs, haha. Wrrrdhölzli, Ääntschtazion!», hätten die Passagiere hören können, aber die hatten alle schon mindestens einen Herzinfarkt.
Ein Sprung aus den Schienen, und mit 180 auf die N1, mitten auf der Fahrbahn, mit Bleifuß auf der Rasselglocke, rammte es mal links ein Cabrio, mal rechts einen Lastwagen, und ließ sich durch nichts aufhalten.
Erst auf dem Rastplatz Pratteln kam das Tram außer Atem zum Stehen. Sofort stand es wieder ganz auf dem Boden der Realität. «Wenn ich jetzt zurückgehe», dachte es, «werde ich mindestens verschrottet».
So überquerte es in Basel illegal die Grenze und ging nach Berlin in den Untergrund. Gerüchte sagen, es sei mittlerweile führendes Mitglied der «Roten Straßenbahn-Befreiungsarmee» geworden, aber eben, die Gerüchte. Wahrscheinlicher ist, dass es jetzt als stinknormale Untergrundbahn in Berlin lebt und jeden Tag dreißigmal «Aleksandablötz» krächzt.