«Bademeister überlegt, ob er Ertrinkenden rettet oder ob das Schlepperei wäre», titelte am Montag die satirische Internet-Publikation «Der Postillon» und räsonnierte ausgiebig darüber, ob das Retten Ertrinkender nicht erst die Badenden animiere, sich in gefährliche Situationen zu begeben – ob nicht gar «weniger sterben müssten, wenn es keine Bademeister gäbe und dadurch ein gewisser Abschreckungseffekt eintreten würde». Das Lachen bleibt einem im Halse stecken.
Ich will hier nicht die Verhaftung der Kapitänin Carola Rackete kommentieren, die ihr Schiff mit geretteten Flüchtlingen nach Italien steuerte – das machen andere kompetenter. (Wenn ich bei Google nach «Rackete» suche, bekomme ich 14 Millionen Ergebnisse für «Rakete» – das wird sich hoffentlich in den kommenden Wochen noch ändern.) Wenn einem das Lachen im Halse stecken bleibt, ist es umso wichtiger. Das Lachen. Kein Witz. Apropos Witz: Als Kinder erzählten wir uns gern den: «Mami ich will nicht nach Amerika!» «Sei still und schwimm weiter!» – Sag Europa statt Amerika, und auch dieser Witz bleibt einem heutzutage im Halse stecken.
Blondinenwitze sind da unverfänglicher. Mein Lieblings-Blondinenwitz: Eine Blondine spricht in einer Bar einen Mann an und fragt: «Was machst du so beruflich?» «Grafiker», antwortet der. Die Blondine überlegt lange und fragt dann: «Was ist Gra?» – Natürlich würde ich diesen Witz heute niemals mehr erzählen. Ausser eventuell den Kumpels, und den besten Freundinnen, die ihn natürlich auch niemals weitererzählen würden. Dem Göttikind würde ich den aber sicher nicht erzählen, sondern eher den von der Blondine, die wegen einem Stromausfall stundenlang auf der Rolltreppe feststeckte.
Natürlich ist es Blödsinn: Blondinenwitze sind keineswegs unverfänglich, sie sind hochpolitisch. Darf Mann sie heute noch erzählen? Und falls nein, darf Frau sie erzählen? Das ist eine interessante Frage: Macht es einen Unterschied, wer einen Witz erzählt? Ist ein Schwulen-Witz weniger homophob, wenn der Erzähler selbst schwul ist? Ist eine Frau, die einen Blondinenwitz erzählt, besonders aufgeklärt und selbstbewusst, oder aber rückständig, quasi eine Wasserträgerin des Chauvinismus?
Nach diesen Gedanken fragte ich mich, ob es denn gute, unrassistische Flüchtlingswitze geben könne. Ich googelte und fand keine. Dagegen fand ich hundertfach Hinweise der Art «Dieser Witz ist nicht rassistisch gemeint und keinesfalls ernst zu nehmen.» WTF? Für einen guten Witz muss man sich nicht entschuldigen. Tritt ein Witz gegen unten, ist er nie gut. Der Witz, der mit Klischees operiert, ist ein Minenfeld: Er muss an die Grenzen gehen. Bleibt er dahinter, ist er zu lasch; geht er darüber hinaus, geht er gar nicht.
Ein guter Flüchtlingswitz wäre einer, den sich auch Flüchtlinge untereinander erzählen würden. Falls Sie einen kennen, senden Sie ihn mir. Immerhin ist mir beim Googeln noch ein FDP-Witz untergekommen: Wieviele Freisinnige braucht es, um eine Glühbirne zu wechseln? Keinen. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen und die Steuern gesenkt werden, wird der Markt schon für Licht sorgen. – Zu lasch? Da stimme ich Ihnen zu. Es gibt ja auch klischeefreie Witzarten, beispielsweise das Wortspiel. Öppen so: Was ist der Unterschied zwischen einem PC und einem WC? Am PC knackt man den Code.
Dieser Text erschien am 5. Juli 2019 im P.S., www.pszeitung.ch.