Der moralische Appell angesichts der drohenden Energiekrise ist allgegenwärtig: Wir sollen Strom sparen. Nur kurz duschen anstelle eines Vollbades, das Licht löschen, wenn wir aus dem Zimmer gehen, die Heizung drosseln. Solidarität ist das Gebot der Stunde. Und wenn wir nicht brav sind, drohen uns Stromabschaltungen im Winter, das haben wir dann davon! Das ist fein, schliesslich reden wir moralinsauren Ökofundis schon seit mindestens 40 Jahren vom Energiesparen, und dank Herrn Putin haben wir nun plötzlich Recht.
Doch leider ist dieses neue Sparbewusstsein sehr lückenhaft. Noch immer subventionieren der Bund und viele Kantone Elektroautos durch Steuerrabatte, oft ungeachtet ihres Verbrauchs. Wieso ich auf mein Bad verzichten soll, wenn gleichzeitig der Monster-SUV meines Nachbarn und der Sportbolide des reichen Pinkels mit Steuergeldern gefördert werden, soll man mir erst mal erklären.
Im August konnte man in der Presse nachlesen, dass der ehemalige Swissgrid-Krisenmanager Paul Niggli anregte, den Handel mit der «Kryptowährung» Bitcoin zu verbieten: Eine einzige Bitcoin-Transaktion verbrauche so viel Strom wie ein Haushalt in eineinhalb Monaten. Die Branche konterte mit Häme und warf Niggli vor, er habe keine Ahnung von der Materie: Der Grossteil des Stromverbrauchs falle nicht bei der Transaktion in der Schweiz an sondern beim «Mining», das typischerweise in Ländern mit niedrigen Strompreisen geschehe (da hat sie wohl recht), man könne deshalb nicht einfach den Gesamtverbrauch durch die Anzahl Transaktionen teilen, um den Verbrauch einer Transaktion zu berechnen (in diesem Punkt versteht Niggli wohl einfach mehr von Mathematik als die Spekulationsgurus), und überhaupt, den Bitcoin könne man nicht abschalten, ohne das gesamte Internet abzuschalten.
Also alles kein Problem? Mitnichten. Auch wenn der Strom für den Bitcoin nicht hauptsächlich im Inland produziert wird, produziert wird er irgendwo. Und auch dort werden dafür wohl Ressourcen verwendet, die erstens klimaschädigend sind und zweitens anderswo sinnvoll gebraucht werden könnten. Der Bitcoin ist keine Währung im Sinne des Wortes, sondern ein reines Spekulationsspiel ohne volkswirtschaftlichen Wert, eine Art virtueller Lamborghini: Ein Spielzeug für Reiche, Spekulanten und Hipster ohne wirklichen Nutzen, aber mit grossen Emissionen, die schliesslich die Bevölkerung trägt. So gesehen würde es durchaus einen Unterschied machen, wenn die offizielle Schweiz sagte: «Wir wollen das nicht». Tatsächlich aber adelt der Kanton Zug die Kryptowährungen sogar, indem er sie als Zahlungsmittel für die Steuern zulässt.
Und jetzt erklären Sie mir mal, wieso ich den Ofen nicht vorheizen soll, wenn so ein energiefressender Blödsinn staatlich gefördert wird.
«Symbolpolitik!», werden jetzt viele rufen. Weder die Elektromobilität noch die Kryptowährungen verursachen den Grossteil des Energieverbrauchs in der Schweiz. In der Tat glaube ich, dass eine gewisse Symbolik in der Energiepolitik vonnöten wäre. Die Botschaft, die der Bundesrat dagegen zurzeit verbreitet, ist nicht weniger symbolisch, sie lautet: «Dreht einen Winter lang die Heizung runter, danach geht es weiter wie bisher.» Duschen für Putin und hoffen, dass sich nichts ändert, bevor wir gestorben sind.
Dieser Text erschien am 28. Oktober 2022 im P.S., www.pszeitung.ch.