«Erspartes verloren: Wut bei den Kleinanlegern ist gross», titelte «20 Minuten» am 21. März. Das ist nachvollziehbar, immerhin verlieren durch den Untergang der Credit Suisse wohl viele Menschen ihre Ersparnisse. Ist die Wut dieser Leute auch berechtigt? Immerhin sind sie als Miteigentümer:innen der Bank zumindest formell mitverantwortlich für das Debakel. Trotzdem gehen sie nicht leer aus; dank der Intervention des Bundes und der UBS erhalten sie wenigstens noch einen Teil ihrer Anlagen in Form von UBS-Aktien. Als verantwortungsvolle Anleger:innen hätten sie sich aber schon seit Jahren Gedanken machen können und müssen, wessen Geschäfte sie mit ihrem Geld finanzieren. Dass die CS eine gleichermassen riskante wie rücksichtslose Strategie fuhr, war schon lange bekannt. Sie setzte den Fokus auf Investmentbanking, finanzierte die Jachten russischer Oligarchen und die Erdölförderung mittels Fracking, trieb ein ganzes Land in den Ruin (Moçambique). Von Gewinnen aus diesen Geschäften hätte man gern profitiert. Nun ging es bachab, und man darf weinen.
Nun reden wieder alle über die Boni – das ist richtig, es braucht dringend gesetzliche Grundlagen, um überzogene Bezüge von Managern und Verwaltungsräten für die Deckung des von ihnen angerichteten Schadens nachträglich einzuziehen, aber es ist nur die halbe Wahrheit. «Ist die CS eine Schweizer Traditionsbank oder eine kriminelle Organisation?», fragte Daniel Binswanger bereits am 18. März in der «Republik», um gleich die Antwort zu geben: «Dieser Unterschied scheint geringfügiger zu sein, als man es jemals für möglich gehalten hätte.» Und diese Analyse trifft wohl nicht nur auf die CS zu, sondern auf einen rechten Teil des globalen Finanzmarkts, insbesondere auf das Investment- und das Private Banking. Gleichzeitig macht uns dieser Finanzmarkt seit rund 25 Jahren systematisch zu Mittäter:innen. Schon Ende der 90er-Jahre schrieb etwa der K-Tipp, dass ein Rabengötti sei, wer für sein Göttikind noch ein Sparbüechli mache und nicht ein Fondskonto, das viel grössere Rendite verspreche. Heute wird uns auf allen Plakatwänden das Anlegen als selbstverständliche Beschäftigung für Jung und Alt dargestellt. Auch ich als Anlageverweigerer bin über die Pensionskasse in den Finanzmarkt gezwungen. Dass Rendite immer auf Kosten von jemandem geht – und meist nicht auf Kosten eines anderen Spekulanten – wird schnell vergessen. Und dass Rendite im Markt grundsätzlich mit Risiko einhergeht, sowieso.
Die CS-Aktionär:innen sind also nicht nur mitverantwortlich für den Ruin von Moçambique, Umweltzerstörungen durch Fracking und die Alimentierung der russischen Kriegskasse, sondern direkt auch für den Kollaps ihrer Bank. Sie hätten es in der Hand gehabt, sie auf einen anderen Kurs zu lenken, oder auszusteigen, als das Geschäftsgebaren zu schurkisch oder eben zu riskant wurde. Sie haben sich entschieden, das nicht zu tun. Trotzdem erhalten sie nun eine Vorzugsbehandlung – kollabiert irgendeine andere Firma, erhält niemand noch 71 Rappen pro Aktie. Es wäre an der Zeit, über eine Gesetzgebung zur Aktionärsverantwortung nachzudenken. Bezogene Dividenden und mit Aktienverkäufen erzielte Gewinne müssten rückwirkend eingezogen werden können, wenn grosser Schaden angerichtet wurde oder der Staat Garantien geben muss.
Finanzanlagen sind nun mal kein harmloses Vergnügen für den rechtschaffenen Bürger. Geld kann Segen spenden oder Verderben, je nachdem, wem man es gibt. Wer seine Hände in Unschuld waschen will, muss sich sehr genau über die Firmen informieren, in die er investiert – oder halt doch zum Sparbüechli zurückkehren.