In meiner Jugend war ich sehr fasziniert von Science-Fiction-Szenarien, las Bücher von Isaac Asimov, Stanislav Lem und Konsorten, so natürlich auch «The Time Machine» von H. G. Wells. Die Vorstellung, durch die Zeit reisen zu können, hat ja etwas Prickelndes: Antike Kulturen kennenlernen, Dinosaurier sehen; oder in die Zukunft schauen, gar fliegende Autos und anderen geilen Scheiss selbst ausprobieren! Sehr interessant sind auch die mit Zeitreisen verbundenen grundsätzlichen Fragen, vorab das Grossvater-Paradoxon – wenn Sie in der Zeit zurückreisen können, haben Sie allenfalls die Gelegenheit, Ihren eigenen Grossvater zu töten, was wiederum zur Folge hat, dass Sie nie geboren werden und also auch nicht in der Zeit zurückreisen können, um Ihren Grossvater zu töten. Roman- und Filmautoren beschwören für den Fall eines solchen Raumzeit-Bruches gern schreckliche Folgen bis hin zum Kollaps des Universums. Entspannter sieht es die Filmreihe «Back to the Future», wo der Protagonist in der Zeit zurückreist, um sicherzustellen, dass sich seine Eltern auch tatsächlich ineinander verlieben, worauf sich seine künftige Mutter in ihn verliebt statt in seinen Vater; die daraus folgenden Komplikationen sind bekanntlich sehr amüsant, wenn auch wissenschaftlich nicht besonders stringent.
Während Reisen in die Zukunft (also schneller, als wir sowieso täglich in die Zukunft reisen) nach Einsteins Relativitätstheorie möglich sind, ist sich die Wissenschaft uneins darüber, ob das Grossvater-Paradoxon auf die grundsätzliche Unmöglichkeit von Reisen in die Vergangenheit schliessen lässt. Stephen Hawking jedenfalls meinte, das müsse so sein, und postulierte in seiner «Chronologieschutz-Hypothese», dass irgendwelche heute noch nicht bekannten physikalischen Gesetze Reisen in die Vergangenheit verunmöglichten.
Nun, zur Theorie kann ich mich nicht äussern, da bin ich nicht kompetent. Ich kann Ihnen aber trotzdem zweifelsfrei belegen, dass zumindest der Mensch niemals wird in die Vergangenheit reisen können. Stellen Sie sich nur vor, Sie selbst wären dazu in der Lage. Ich jedenfalls hätte schon ein paar Ideen, um meine heutigen Lebensumstände zu optimieren. Etwa meinem Ich von vor einer Woche die Lottozahlen vom Samstag vorbeibringen. Oder meinem Ich von 2010 stecken, es solle bitte ein paar Franken in Bitcoins investieren. Oder einen meiner Vorfahren um 1800 motivieren, ein Grundstück am Zürcher Fröschengraben zu kaufen, der bald zugeschüttet und zur Bahnhofstrasse umgebaut würde. Ja, mit irgendeinem dieser Szenarien wäre ich heute steinreich. Und nicht nur ich: sicher würden alle solches tun. Und dass es um 1800 keinen Run auf Liegenschaften am Fröschengraben gab, 2010 der Bitcoin noch keinen Boom erlebte und sich nicht Woche für Woche Tausende von Lottogewinner:innen den Jackpot teilen müssen, ist doch schon Beweis genug dafür, dass die Menschen nie werden in die Vergangenheit reisen können. Könnten sie es, hätten wir täglich Heerscharen von Zukünftlern hier, die irgendwas an ihrer Vergangenheit herumfrickeln wollten. Denn eins wissen wir ja langsam: Wenn der Mensch etwas tun kann, dann tut er es auch – je mehr man ihn davor warnt, desto enthusiastischer; was ist schon der Kollaps des Universums.
Hey, eben habe ich eine Hypothese von Hawking bewiesen! Wo ist das Anmeldeformular für den Physiknobelpreis?
Dieser Text erschien am 17. März 2023 im P.S., www.pszeitung.ch.