Betrachtungen eines Kunstkäufers

Irgendwann im Lockdown war ich es müde, die ganzen Tage in einer Baustelle zu sitzen, und ich begann, meine Wohnung einzurichten. Als Höhepunkt sozusagen hängte ich die Bilder auf, die den Wänden entlang seit mehr als einem Jahr bereit standen. Und seither fühle ich mich, als wohnte ich in einer Galerie.

Mein Interesse an Kunst war bis vor etwa 15 Jahren darauf beschränkt, dass ich mich oft – meist unglücklich – in Künstlerinnen verliebte. Dann jedoch lernte ich einen Maler kennen, der eine Website brauchte und kein Geld hatte. Ich hatte mich gerade selbständig gemacht und brauchte Referenzen. Also baute ich ihm die Website und bekam als Bezahlung ein Bild. Er war nicht knauserig und legte noch zwei Drucke drauf. Das war der Anfang meiner Kunstsammlung. In der Folge fand ich heraus, dass KünstlerInnen in meinem Umfeld gelegentlich tolle Werke zu erschwinglichen Preisen verkauften. So kam mit der Zeit, ohne Plan, eine hübsche und völlig unkuratierte kleine Sammlung zusammen, obwohl ich kaum je wirklich ein Budget für Kunst gehabt hätte.

Der finanzielle Punkt ist denn auch interessant: Für die Werke in meinem Besitz gibt es keinen Markt, sie haben keinen Wiederverkaufswert. Das heisst: Im Moment, da ich ein Werk kaufe, sinkt sein monetärer Wert auf Null. Der Kunstkauf auf meinem Niveau ist also quasi eine vergnügliche Form der Geldvernichtung. Dies ganz im Gegensatz zum spekulativen Kunstmarkt, wo Werke in der Erwartung einer Wertsteigerung gekauft werden. (Wenn nicht gar zum Zweck der Steuerhinterziehung und Geldwäscherei; vgl. den Artikel «Zollbefreite Kunstaufbewahrung: Ein giftiges Geschäftsmodell» von Esther Banz in «Moneta».) Wenn SpekulantInnen Werke direkt von KünstlerInnen kaufen, ist das ja lobenswert, jedenfalls sie wenn damit im Sinn eines Mäzenatentums junge Talente fördern. Solcherart geförderte Talente kommen natürlich oft aus gutem Haus, müssen sich nicht um ihren Lebensunterhalt sorgen und profitieren von Beziehungen ihrer Familie – ich will ihre Leistungen keineswegs kleinreden, aber unter solchen Umständen fällt es einem gewiss leichter, eine KünstlerInnen-Laufbahn einzuschlagen.

Was mich aber umtreibt, ist der Kunsthandel als Kapitalanlage. Viele bedeutende KünstlerInnen haben in bescheidenen bis prekären Umständen gelebt, konnten von ihrer Kunst nur knapp oder gar nicht leben. Und heute verdienen sich Leute, deren einzige Leistung darin besteht, reich zu sein, eine goldene Nase mit ihren Werken. Wenn ich König der Welt wäre, würde ich eine Mehrwertsteuer auf Kunst einführen: Die Wertsteigerung beim Verkauf eines Werks zu beispielsweise 50 Prozent besteuern; mit dem Erlös die Kunstschulen finanzieren sowie Stipendien und Werkbeiträge vergeben, so dass auch für mittellose junge Talente eine KünstlerInnen-Laufbahn realistisch wird.

Nun, König der Welt werde ich wohl nicht – aber im Vergleich zu «richtigen» Kunstsammlern geht es mir schon sehr gut. Inmitten meiner «wertlosen» Bilder und Objekte zu sitzen, gibt mir warme Gefühle; die Geschichten, die ich zu den Werken erzählen kann, handeln von Menschen und nicht von gewonnenen Auktionen, und ich muss weder Diebstahl fürchten noch Versicherungen zahlen. Und sollte ich im weiteren Leben weniger Glück haben und verlumpen: dann wird man mir wohl das eine oder andere wegnehmen, aber meine Kunst wird man mir lassen!

Dieser Text erschien am 9. Oktober 2020 im P.S., www.pszeitung.ch.