Nachhaltig anlegen?

Kaum hatte ich das Finanzmarktbashing meiner letzten Kolumne abgeliefert, berichtete Radio SRF, dass Greenpeace «klimafreundliche» Anlageprodukte von Schweizer Banken getestet hatte – mit, oh Überraschung, vernichtendem Fazit. Nachhaltigkeit sei bei vielen Banken als Kriterium kaum präsent, klimafreundliche Anlageprodukte würden erst auf Anfrage angeboten. Und die angebotenen Produkte erfüllten in den meisten Fällen die Kriterien des Pariser Klimaabkommens nicht, bei einigen sei das Nachhaltigkeitsversprechen gar schlicht irreführend.

Nun ist es ja lobenswert, die Geldströme in umweltfreundliche Projekte lenken zu wollen statt in Kohlekraftwerke, Fracking und Gaspipelines, wie dies beispielsweise unsere Fussballgrossbank immer noch gern tut. («Credit Suisse Super League» – ich leide seit diesem Sommer unter Saisonkartenscham.) Greenpeace möchte ein Label, das nachhaltige Anlageprodukte auszeichnet, damit wir beim Investieren «grüne» Anlagen bevorzugen können wie im Grossverteiler das Biogemüse. So können wir bald alle unser Geld in saubere Energie, innovative Technologien und umweltschonende Projekte stecken und dabei erst noch Gewinn machen! Denn, Hand aufs Herz: Rendite muss beim Anlegen ja schon auch sein.

Und hier geht, zumindest an meinem Horizont, ein grosses Fragezeichen auf. «Nachhaltigkeit» bedeutet mehr als nur, dem Klima nicht zu schaden. Anlagen, die zuverlässig rentieren sollen, benötigen eine stets wachsende Wirtschaft – kann Wachstum denn nachhaltig sein?

Es gab eine Zeit, da stellten sich die Menschen vor, es gebe für alle Zeiten genug Erdöl um immer mehr Fahrzeuge zu betreiben, eine stets wachsende Nachfrage nach Kunststoffen zu befriedigen usw. Heute sind wir an den Grenzen der Ölwirtschaft angelangt, konfrontiert einerseits mit der Endlichkeit der verbleibenden Vorräte, anderseits mit den schädlichen Folgen der Ölverbrennung für das Klima. Dafür herrscht Aufbruchstimmung bei neuen Energieträgern – aber irgendwann in Zukunft werden wohl auch diese an ihre Grenzen stossen. Sei es, dass Rohstoffe für Sonnenkollektoren knapp werden, dass ihre Entsorgung nicht gelöst wird, dass alle verfügbaren Flächen verbaut sind – oder auch dass der Entzug von Sonnenlicht den Boden abkühlen lässt und dies zu Klimaveränderungen führt. Dass Effekte auftreten, an die wir heute noch gar nicht denken. Unsere Welt hat die unbequeme Eigenschaft, dass alle Ressourcen endlich sind. Nichts wird ewig wachsen, auch nicht, was aus heutiger Perspektive noch unendlich aussieht. Eine Ökonomie, die auf immerwährendes Wachstum baut, ist mehr Religion als Wissenschaft. Wachstum ist niemals nachhaltig. Deshalb ist meines Erachtens auch ein Finanzmarkt, der auf der Erwartung einer Rendite beruht, niemals nachhaltig.

So gesehen müssten «nachhaltige» Anlagen also zuallererst renditefrei sein. Und dies – wenn wir gerade beim Thema Religion sind – könnten wir sogar in unseren alten Schriften nachlesen, ganz egal welchem Bekenntnis wir anhängen: Im alten und im neuen Testament genauso wie im Koran finden sich Zinsverbote – jeder Kapitalertrag ist also gegen Gottes Gesetz. «Grüne» Anlageprodukte sind denn auch so nachhaltig wie elektrische Offroader. Ein Lifestyleprodukt, mit dem man sich als hipper Städter wie auch als bodenständiger Bergler ein Bisschen umweltfreundlich geben kann, ohne auf etwas zu verzichten.

Dieser Text erschien am 22. Oktober 2021 im P.S., www.pszeitung.ch.