Von Museen und Stadien

Was haben der Fussball und die Wirtschaft gemeinsam? Die unten fressen Gras, und die oben schöpfen das Geld ab – so viel, dass sie nicht wissen, was damit anfangen. Deshalb muss bei denen oben alles gross und glänzend sein, denn sie wollen ja dann am WEF wie der Bono mit den Grossen aus Wirtschaft und Politik mitglänzen können. So hat sich der Sepp mit dem Fifa-Museum ein grosses, glänzendes Denkmal geschaffen. Gross wie etwa das Kunsthaus, mit 50 Mitarbeitenden. Glänzend an bester und teuerster Lage. Dass man für ein Start-up nicht unbedingt einen überteuerten Mietvertrag mit einer fixen Laufzeit von 30 (!) Jahren abschliessen sollte, hätte ihm einer seiner grossen Kollegen aus der Wirtschaft sicher sagen können, aber ein so grosser Sepp braucht keinen Rat. Die Suppe auslöffeln darf nun der Sepp 2.0, wie hiess er noch. Der hat damit grad eine willkommene Gelegenheit zu beweisen, dass er eben doch kein Sepp 2.0 ist, sondern ein, äh, Gianni. Vielleicht wäre er gut beraten, mal beim FCZ vorbeizuschauen: Der Saro kann ihm zeigen, wie man ein finanzierbares Museum betreibt, und vom Cillo kann er lernen, dass es in den Abstieg führt, wenn man glaubt, keinen Rat zu brauchen.

Wo das grosse Geld gemacht wird, muss es halt auch glänzen. Deshalb werden für jede W- und EM die bestehenden Stadien auf Hochglanz gerüstet oder gar neue gebaut (gern auch in der Wüste), und natürlich muss dabei jeder Austragungsort alle früheren in den Schatten stellen, für ein glänzendes «Fussballfest». Leider färbt dies dann auch auf die nationalen Ligen ab. Die «Swiss Football League» (würg) nötigt die A-Clubs, sich «Super-League»-(würg)-taugliche Stadien bauen zu lassen. Das gibt dann wieder Geld für die (Bau-)Wirtschaft, und wer sowas nicht finanzieren kann, hat «oben» einfach nichts zu suchen. So haben in den letzten acht Jahren St. Gallen, Luzern und Thun neue Stadien bekommen. Ich habe noch keins davon von innen gesehen. Lieber gehe ich aufs Brügglifeld (ausser, zugegeben, wenn es regnet). Wieso das Leichtathletikstadion Letzigrund SL-tauglich ist, der perfekte Fussballort Brügglifeld jedoch nicht, sagt wenig über das Brügglifeld aus, aber viel über den Fussball.

Ich bin mit meinen 50 Jahren nicht so der Gästesektor-Typ. Gästesektoren sind ja fast überall eine Zumutung. Auch in gewissen SL-tauglichen Stadien wie z.B. dem «Stade de Suisse». «Good Hosting» (vgl. Daleó #9) hin oder her. So habe ich in jedem «richtigen» Fussballstadion nur die Wahl zwischen der teuren Gegen- und der sauteuren Haupttribüne. Denn Stehplätze sind ja, wenn überhaupt, nur noch in den Kurven erlaubt («Anforderungen an die Stadien der Super League», § 3.1). Wahrscheinlich, weil die Fernsehkameras auf die Gegentribüne gerichtet sind, und da sollen dann adrette Familienväter (also z.B. ich) mit fähnchenschwingenden Kindern im Bild sein (gern auch mit putzigen Ketchupsabbermäulern). Mein grösstes Problem damit ist aber nicht mal der Preis, sondern die fixe Platznummer. Wenn man sich nicht im Vornherein mit seinen Kumpels abspricht und Tickets gemeinsam kauft, sitzt man im schlimmsten Fall allein zwischen gegnerischen Fans. Im Brügglifeld aber treffe ich im Heim-Stehplatzbereich, der die Hälfte des Stadions umfasst, Freund und Feind, Kumpels aus Zürich und dem Aargau, und die Fussballplatz-Atmosphäre verbreitet immer eine Art Feststimmung.

Nun gut, wer Fussballplatz-Atmosphäre will, der soll halt 1. Liga schauen gehen, oder Frauenfussball. Weil, wie gesagt, Gras fressen sie unten. Oben geht es ums Geld, und dieses glänzt nun mal nicht auf der Stehplatzrampe, sondern in der VIP-Loge.

Dieser Text erschien im März 2017 im FCZ-Fanmagazin Daleó #10