Diensthund Tasso geht in Pension

Metzgermeister Müller entkorkte eine Flasche seines besten Rotweins und setzte sich vor den dampfenden Teller. Er ließ den edlen Tropfen ins Glas perlen und prostete sich zu. Dann griff er einmal mehr nach dem Stapel mit den Zeitungsausschnitten.

Der jüngste Artikel stammte aus dem «Anzeiger» von gestern. Unter der Überschrift «Diensthund Tasso geht in Pension» zeigte ein Bild Müller mit Weiterlesen...

Schwarze Fahnen

Ich bin von der Generation, die in den 80er-Jahren erwachsen wurde. Damals reichte es noch, sich gegen den Bau einer Autobahn oder eines Parkhauses zu engagieren, um von den Bürgerlichen, die sich für wohlanständig hielten, als Nestbeschmutzer und Staatsfeind beschimpft zu werden. Wir wollten aus dem Staat Gurkensalat machen, schwangen schwarze Fahnen, und die Wohlanständigen waren hübsch schockiert Weiterlesen...

Beethoven und ich

Kürzlich hatte ich einen Traum. Ich war Glenn Gould und spielte in einem schmucken Konzertsaal vor einem sehr zahlreichen Publikum auf einem hübschen Flügel Beethoven. Vielleicht ist Ihnen bekannt, dass Goulds Beethoven-Interpretationen höchst umstritten waren. In den Rängen erkannte ich denn auch die üblichen zwei Lager: Die Kritiker mit dem «Er macht es nicht so wie man soll wir haben es schon vorher gewusst und sind gekommen uns zu ärgern»-Blick, sowie, mir nicht weniger unangenehm, die Verehrer mit dem «Er ist großartig wir haben es schon vorher gewusst und sind gekommen ihn zu feiern»-Blick.

Zum Schluss spielte ich die «Pathétique». Ganz im Gegensatz zum echten Glenn Gould bin ich ein großer Liebhaber dieser Sonate – was mich aber nicht von einer sehr freien Interpretation abhielt. Den ersten Satz begann ich wahnsinnig langsam und schwer, baute in den ersten paar Takten noch zusätzliche Verzierungen und Triller ein, um dann beim schnellen Thema so richtig abzugehen. Ich spielte wie im Rausch, improvisierte gelegentlich ein bisschen, und als Finale hängte ich dem Satz noch eine Strophe der Nationalhymne an, da mir diese als Inbegriff von Pathetik hier besonders passend schien. Im Publikum löste dies Verwirrung aus; einige Zuhörer standen auf und legten sich die Hand aufs Herz, andere schüttelten ihre Köpfe oder grinsten zustimmend.

Beim zweiten, langsamen Satz sang ich lauthals mit, und zwar das wunderbare und durchaus passende Lied «Can’t help falling in love», das wir unter anderen von Elvis und UB40 kennen. Dies veranlasste einen Teil des Publikums, den Saal schimpfend zu verlassen, was die Verehrer-Fraktion mit gehässigem Zischen und «Ruhe!»-Raunen kommentierte.

Ob ich den letzten Satz überhaupt spielte, kann ich mich nicht erinnern. Der Traum geht weiter im Foyer, wo ich alkoholische Getränke zu mir nahm und Lob wie auch Tadel ohne Gefühlsregung an mir abtropfen ließ wie den Regen am Gefieder eines Kanarienvogels. Da kam plötzlich Beethoven zu mir.

«Nette Vorstellung, junger Mann, durchaus nett.»

Ich war noch auf der Suche nach meiner Fassung, als er fortfuhr: «Es ist immer wieder interessant zu hören, was aus meiner Musik werden kann. Wenn einer nur genug Chuzpe hat. Ja, Chuzpe, junger Mann, Chuzpe, das können Sie sich merken!»

«Deshalb nenne ich mich ja auch einen Interpreten», erwiderte ich, «und nicht einen Sequenzer.»

Auf Beethovens Frage, was ein Sequenzer sei, erklärte ich ihm, es handle sich um eine Art Maschine zum Abspielen von Musik. Er lächelte, tätschelte mir gönnerhaft die Schulter und empfahl sich mit einem Brummeln.

Ich wachte auf und fühlte noch die Kränkung in mir. Ich war Glenn Gould, der meistverrissene Beethoven-Interpret meiner Zeit – und alles, was ER mir zu sagen hatte, war ein gönnerhaftes Lob, wie für einen eifrigen Schüler. Erst beim Kaffee erholte ich mich langsam. Ich erinnerte mich, dass ich in meiner Kindheit tatsächlich Klavierunterricht gehabt hatte. An diesem Tag kündigte ich meine Stelle, kaufte ein gebrauchtes Klavier und begann zu üben. Den Anfang machte ich mit dem zweiten Satz, der ist nicht gar so schnell. Die ersten acht Takte gehen schon leidlich, nur mit dem Singen hapert es noch.

Credits:
• «Can’t help falling in love» von  Hugo Peretti, Luigi Creatore und George David Weiss
• Klaviersonate Nr. 8 in C-Moll, Op. 13 «Pathétique» von Ludwig van Beethoven (2. Satz)
• Arrangement, Klavier und Gesang: Markus Ernst

Ein schlechtes Gedicht

Vom fernen Land Syllabien kam gestern ein Syllaber
Er klopfte an die Tür und schrie: «Alm elg ak snilber snaber!»
Ich fragt’, erstaunt ob dem Gebrüll: «Was bist denn du für einer?»
Er sagte: «Silbenmäßig bin ich große Klasse, Kleiner!»
Er schlitzte seine Augen wie ein aufgeblasner Backfisch
Ich fand den Kerl bedrohlich und erschoss ihn prophylaktisch
Da kamen Polizisten, und sie nahmen mich gefangen
Für feigen Mord und schlechtes Dichten wurde ich gehangen

Platz, Blase!

«Bitcoin» sei das Finanzwort des Jahres, erfuhren wir Anfang Woche aus diversen Medien. Das ist nicht verwunderlich, denn der Bitcoin ist in aller Munde, seit er einige Nerds zu Million-, ja gar Milliardären gemacht hat. Ein Anlass, dieser so genannten «Kryptowährung» etwas auf den Grund zu gehen. Dafür muss man glücklicherweise nicht Ökonomie studieren – Zeitunglesen reicht.

Am 30. November Weiterlesen...

Eine Detektivgeschichte

Der Detektiv schnaufte, schlug die Tür hinter sich zu und war endlich zu Hause. Er hatte soeben einen Fall gelöst, das heißt, er hatte für irgendeine beschissene Ehefrau herausgefunden, dass ihr beschissener Ehemann sie mit der Kellnerin ihrer Lieblingsbar betrog und diese ihren (der Ehefrau) Hund vergiftet hatte, weil sie das Hecheln neben dem sündigen Bette nicht ertragen konnte, worauf der Ehemann das Verhältnis sofort abgebrochen, nach einem gekonnt vorgetragenen Striptease der Kellnerin neben dem toten Hund jedoch sofort wieder aufgenommen hatte. Dies alles hatte der Detektiv herausgefunden, also, die Kellnerin hatte es ihm erzählt, nachdem er sie verführt und mit Scotch abgefüllt hatte in ihrem kleinen Zimmer gleich über der Bar, was ihn allerdings, und dies erfuhr er erst am nächsten Morgen, zweihundert Franken kostete, die ihm seine Klientin entgegen den vertraglichen Vereinbarungen partout nicht als Spesen anrechnen wollte, weil, wie sie sagte, die Männer alle gleich seien und sie dafür nicht auch noch bezahle, und künftig nehme sie sich für solche Fälle eine Detektivin.

Der Detektiv schlug also die Tür hinter sich zu und war endlich zuhause. Von dem, was nach Abzug der Spesen übriggeblieben war, hatte er sich Corned Beef, Brot und Aprikosenmilchdrink gekauft. Nach dem Essen sank er ermattet aufs Bett, klaubte ein Buch unter dem Kissen hervor und las eine Detektivgeschichte. In dieser Geschichte verfolgte ein Detektiv mit seinem Dodge eine Bande dunkler Gangster mit Maschinenpistolen, die nächtens eine Bank geplündert und neben dem Geld auch gleich die ganze Computeranlage samt Zentralrechner mitgenommen hatten. Die betreffende Bank, eine der drei größten im ganzen Land, stand natürlich vor der Öffentlichkeit ziemlich abgesägt da, und alle Hoffnung der sparenden Nation lag jetzt auf dem Detektiv, der die dunklen Gangster verfolgte. Eben bogen sie in eine Seitengasse ab, die noch dunkler war als sie selber, und der Detektiv witterte eine Falle, aber es war zu spät, das Lenkrad bereits reflexartig herumgerissen und der Wagen im Arsch. Der Detektiv schaute frontal in die Mündung eines Raketenwerfers. Er konnte sich dann aber mit viel Mut und List beim Chef der Bande einschleimen und ihn zu einem großen Coup überreden: Die Befreiung sämtlicher unpolitischen Häftlinge aus dem Hochsicherheitsgefängnis Albaknaz. Die Bande landete also mit Fallschirmen im Gefängnis und drang in die Zellen ein, aber die Polizei wusste Bescheid und brauchte nur noch die Türen hinter den verdutzten Gangstern zu schließen.

Nach diesem Bravourstück konnte sich der Detektiv mit der Belohnung der Bank zur Ruhe setzen und endlich mal selber eine Detektivgeschichte lesen. Er kaufte sich ein Buch mit dem Titel «Die besten Detektivgeschichten» und legte sich aufs neue Sofa. In der ersten Geschichte, sie hieß «Die große Verschwörung», war der Detektiv hinter einem korrupten Politiker her, der Präsident der Vereinigten Staaten werden wollte und keine Mittel scheute, dieses Ziel zu erreichen. Dem Politiker namens Bill Masturbanni war es gelungen, sämtliche Mafiaclans in Chicago und allen anderen amerikanischen Großstädten an einen Tisch zu bringen, einschließlich FBI und CIA, und der Detektiv stand vor einer sehr schwierigen Aufgabe. Erst als es ihm gelang, die Black Panthers, den Ku-Klux-Klan und den Christlichen Verein Junger Männer und Frauen zu einer gemeinsamen Aktion zu bewegen und landesweit im gleichen Moment gegen die vereinigten Mafiosi zuzuschlagen, war die Gefahr gebannt. Im Showdown mit Masturbanni zog der Detektiv schneller, wurde dann selber Präsident und erhielt den Friedensnobelpreis, der Ku-Klux-Klan verbrüderte sich mit den Black Panthers, und als im ganzen Land Friede und Glückseligkeit herrschte und auch sonst auf der ganzen Welt die Menschen in Harmonie und Einigkeit lebten, trat der Detektiv vom Amte des Präsidenten zurück, stopfte sich eine Pfeife, setzte sich in seinen Ohrensessel und las eine Detektivgeschichte.

Die Geschichte handelte von einem Detektiv, der eine Chinesin beschattete, deren Ehemann sie des Ehebruchs verdächtigte, weil sie ab und zu ohne Erklärung nicht zu Hause war, die aber, wie der Detektiv nach und nach erkannte, sich in den Momenten ihrer Abwesenheit nicht im Bett eines Liebhabers, sondern im Büro einer spätmaoistischen Untergrundorganisation räkelte und die Weltrevolution vorbereitete. Der Detektiv wurde dann von der Untergrundorganisation entführt und einer Gehirnwäsche unterzogen. Der nun selbst spätmaoistische Detektiv bändelte mit einer Politologieprofessorin der örtlichen Universität an, die ihren Studentinnen und Studenten künftig nur noch revolutionäres Gedankengut vermitteln sollte, aber in dem Moment, als er sich gerade das Kondom für die Liebesnacht überzog, sprang Masturbanni mit großem Geklirre durchs Fenster und betäubte die Professorin mit dem von der Kellnerin vergifteten Hund, der schon weidlich stank. Dann lud er den Detektiv zu einer Flasche Aprikosenmilchdrink ein, um ihm heimlich einen LSD-Trip unterzujubeln, doch der Milchdrink mit dem Trip war im Becher mit dem Fächer, und den Pokal mit dem Portal erwischte der Detektiv, so dass Masturbanni auf die Reise ins Land der Blumen sanft entschwebte, und die spätmaoistische Untergrundorganisation mit dem Detektiv an ihrer Spitze verbrüderte sich mit den Black Panthers und dem Ku-Klux-Klan und dem FBI und der CIA, und gemeinsam führten sie die Weltrevolution durch, und auf dem gestohlenen Zentralrechner aus der Bank spielten sie Super Mario bis ans Ende der Zeiten.

Als er diese sehr amüsante Geschichte gelesen hatte, war der Detektiv müde und legte sich schlafen.

Ballade vom glühendroten Burgfräulein

Einst war ein heißes Burgfräulein
mit glühendroten Haaren
das brachte Männern große Pein –
sie liebten es in Scharen

Dem glühendroten Burgfräulein
warn Männer jedoch schnuppe
es spielte lieber ganz allein
mit seiner Barbiepuppe

Oh Burgfräulein, du bist so heiß
die Haare rot, die Zähne weiß

Das Fräulein wusste wohl, dass all
die Männer, die verliebten
in Trauer, Pein und großer Qual
mit Kugeln sich durchsiebten

Es fühlte Tragik und auch Schmerz
ging in die Psychogruppe
doch schlug sein glühendheißes herz
nur für die Barbiepuppe

Oh Burgfräulein, du bist so heiß
doch dich zu lieben ist ein Scheiß

Und eines schönen Tages kam
aus fernen, fremden Ländern
ein müder Minnesänger an
mit dunklen Augenrändern

Er stimmte seine Laute und
begann sie fein zu zupfen
ein Liedchen quoll aus seinem Mund
das jedes Herz ließ hupfen:

Oh Burgfräulein, du bist so heiß
dein Bild entlockt mir kalten Schweiß

Als dies von solcher Leidenschaft
durchdrungne Lied verklungen
da hatt’ der Sänger es geschafft:
des Fräuleins Herz errungen

Die Barbiepuppe aber rief
von Eifersucht gerötet:
Ach Fräulein, das verletzt mich tief
so dass es mich fast tötet!

Das Fräulein aber wollte nicht
mehr auf sein Püppchen hören
ließ mit Verzückung im Gesicht
vom Sänger sich betören

So endet die Geschichte, sie
entbehrt nicht der Phantastik
und schließlich triumphiert doch die
Kultur über den Plastik

Zwei Augen

Zwei Augen leben tief im Wald
Das eine grün, das andre kalt
Sie äugeln durch die Welt
Und haben nie kein Geld

Das grüne Auge züchtet Vieh
Das kalte treibt Philosophie
Es sucht den Sinn des Lebens
Doch sucht es ihn vergebens

Zwei kleine Augen ohne Pflicht
Ganz ohne Schädel und Gesicht
Genießen ihre Zeit
In trauter Zweisamkeit

Doch eines Tages steht er da:
Ein Blinder aus Amerika
Er sucht um jeden Preis
Two lovely little eyes

Er tastet schüchtern durch den Wald
Er tastet grün … er tastet kalt …
Ein heller Freudenschrei:
What lucky man am I!

Er nimmt die Augen, stopft sie kühn
Das eine kalt, das andre grün
In seine Augenhöhlen
Nun kann’s an nichts mehr fehlen!

Er sieht das Licht, er sieht den Wald
Links sieht er grün, rechts sieht er kalt
Er sieht zwei weiße Möwen
Er sieht ’nen großen Löwen
Er will rennen
Doch der Löwe stürzt sich auf ihn
Hat ihn schon
Ein Schrei
Blut spritzt
Und nun sieht er wieder nichts mehr

Zwei Augen stöhnen, klönen, klagen
In einem dunklen Löwenmagen
Und ich hab euch mit Luscht
Das Happy-End verpfuscht